An meinem ersten Tag im Projekt nahm sich Abril sehr viel Zeit für mich und führte ein einstündiges Einführungsgespräch mit mir. Sie erklärte mir nochmal meine Aufgaben und wir arbeiteten zusammen einen Wochenplan aus, bei dem auch meine Interessen berücksichtigt wurden. Abril stellte mich im Anschluss allen Mitarbeitenden und Besucher:innen vor. Danach ging es auch schon direkt los mit einem Angebot namens „Wellness-Group“. Aus Deutschland kommend hatte ich zunächst die naive Annahme, dass es hier um ein Angebot geht, in dem die Besucher:innen Wellnessangebote wie Gesichtsmasken und co in Anspruch nehmen können. Gleich ins erste Fettnäpfchen getreten! Das Angebot stellt eine Art Selbsthilfegruppe dar, in der sich die Besucher:innen zu mentaler Gesundheit austauschen. In dieser Sitzung ging es um das Thema „Self-compassion“, was am besten mit Selbstführsorge übersetzt werden kann. Anfangs war ich sehr verhalten, da der schottische Dialekt wirklich sehr schwer
zu verstehen ist und meine Englischfähigkeiten übersteigt. Doch die Teilnehmenden waren, wie alle Menschen in Schottland, sehr nett und zuvorkommend und haben mich gleich mit in die Gruppe aufgenommen. Ich war begeistert von der Offenheit der Gruppe, auch wenn mich manche Geschichten der Teilnehmenden erschütterten. Am meisten hat mich verwundert, dass es hier den Ansatz gibt, dass alle betroffen sind. Auch die Mitarbeiterin, welche die Gruppe angeleitet hat und eine Studentin, welche ein Praktikum bei Kairos macht, teilten ihre Geschichten. Hier spielt ein Selbstermächtigungsansatz eine große Rolle. Die Frauen+ stärken sich gegenseitig und teilen ihre Erfahrungen und Strategien, mit schwierigen Situationen umzugehen. Wirklich beeindruckend!
Zudem fand in dieser Woche das Kreativcafé statt. Hier ging es um das Thema Herbst und es wurde fleißig an Herbstdekoration gebastelt. In diesem Angebot geht es aber auch hauptsächlich wieder um den Austausch untereinander und darum, der Einsamkeit vieler Besucher:innen entgegenzuwirken. Was mich am meisten begeistert ist, dass hier Diversität gelebt wird. Alle Angebote wurden von Teilnehmenden verschiedensten Alters, verschiedenster Herkunft, mit und ohne Behinderungen wahrgenommen. Auf alle Bedürfnisse wurde selbstverständlich eingegangen. Es gibt mehrere Geräte für hörgeschädigte Menschen, Ventilatoren und viele Erleichterungen für Menschen mit Geheinschränkungen. Mir ist hier wieder aufgefallen, wie wichtig es ist, sich nicht immer nur in dem einen Kreis zu bewegen, sondern sich mit den unterschiedlichsten Menschen auszutauschen und wie viel wir voneinander lernen können.
Anschließend ging es zu einem Filmscreening in einen Nebenraum. Hier wurde ein Film zum „Black History Month“ gezeigt. Dieser Themenmonat befasst sich mit der schwarzen Geschichte in UK, Kolonialismus und Rassismus und es finden im gesamten United Kingdom Angebote dazu statt. Aus deutscher Perspektive ist es schon sehr verwunderlich, wie Schottland es schafft, einen Angebotsflyer städteübergreifend zu erstellen. Hier werden Ressourcen gebündelt! Das Filmscreening war eingebettet in ein Zoommeeting mit anschließendem Q&A mit den Filmemacher:innen. In dem Film ging es um eine Marmeladenfabrik aus Paisley, welche mit einer schwarzen Kinderpuppe als Fimenmaskottchen berühmt wurde. Es geht in dieser Geschichte um Blackfacing, das Lächerlichmachen Schwarzer Menschen und somit Rassismus, Kolonialisierung und aber auch um eine Art Tradition. Viele der vor allem älteren Besucher:innen berichteten, dass diese Werbung kindliche Gefühle hervorruft und ihnen nicht bewusst
war, wie rassistisch diese Werbung ist. Auch hier war wieder beeindruckend, wie unterschiedlich die Gruppe, bestehend aus 12 Frauen+, war. Hier waren Personen unterschiedlichen Alters, von Rassismus betroffene und Menschen, die schon immer in Paisley leben und mit der Marmeladenfirma groß wurden, dabei und haben im Anschluss an den Film mitdiskutiert.
Am Ende der Woche hatte ich noch ein Meeting mit zwei Studentinnen, welche etwas zum Projekt „16 days of activism“ ausarbeiten sollen. Ich hatte keine Ahnung, was mich dort erwartet, doch schnell war klar, dass es hier um den 25.11., dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen gehen soll. Da mir dieses Thema sehr am Herzen liegt und auch einen Schwerpunkt meiner Arbeit in Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ× darstellt, hat es mir großen Spaß gemacht mit Laura und Lola über mögliche Angebote zu sprechen. Hier konnte ich meine Erfahrungen und auch meine geplante Woche gegen Gewalt miteinfließen lassen. Ich bin sehr gespannt, wie es nächste Woche weitergehen wird!