Miriam Boger berichtet aus Wien

Einleitung

Mein Name ist Miriam Boger und in Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ×-Lichtenberg bin ich seit 2018 für die Koordination der Gesundheitsförderung zuständig. Ich habe Public Health studiert und interessiere mich besonders für die Wirkung des öffentlichen Raumes (in Städten) auf die menschliche Gesundheit.

Von 5. Oktober bis 1. November durfte ich in der Wiener Gesundheitsförderung gGmbH (WiG) hospitieren, welche eine Tochter der Stadt Wien, also der Verwaltung direkt untergeordnet ist. Die Stadt Wien ist Mitglied im Europäischen Gesunde-Städte-Netzwerk der WHO, einem Zusammenschluss aus 1.400 Städten und Gemeinden in ganz Europa. Die Netzwerkpartner sind Teil einer globalen Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, Gesundheit und Gesundheitsförderung auf die politische Agenda der Kommunalverwaltung zu setzen.

Das Europäische Gesunde-Städte-Netzwerk vereinigt über 100 „Leuchtturmstädte“ und 30 nationale Netzwerke. Die Leuchtturmstädte, zu denen auch Wien gehört, interagieren direkt mit der WHO in Europa, während die nationalen Netzwerke Städte und Gemeinden der jeweiligen Mitgliedsstaaten zusammenführen.

Wien hat sich als „Leuchtturmstadt“ auf dieser Grundlage bereits differenzierte Gesundheitsziele gesetzt, die mit klaren Maßnahmen hinterlegt sind. Sie fördern gemäß der Ottawa Charta die gesundheitliche Chancengleichheit in allen Lebensphasen. Die Stadt Wien sticht durch die konkrete Darstellung der Ziele und Maßnahmen deutlich hervor.

Ich möchte von der Stadt Wien als gutem Beispiel im Europäischen-Gesunde-Städte-Netzwerk lernen, wie Gesundheitsziele dort aufgebaut werden, welche kommunalen Strukturen dazu beigetragen haben und nicht zuletzt, wie die Gesundheitsziele in der „gesunden Stadt“ Wien umgesetzt werden.

Woche 1 07. bis 11.10.2024

Die Kolleginnen und Kollegen in der Wiener Gesundheitsförderung gGmbH (WiG) begrüßen mich herzlich. Es gibt einen Rundgang durch die Büroräume der WiG in der Treustraße, die sich alle auf einer Etage befinden. Hier arbeiten ca. 50 Mitarbeitende. Die WiG aufgeteilt in das Team gesunde Organisationen (TGO) und das Team gesunde Regionen (TGR), die jeweils eine Teamleitung haben. Über beiden Teams steht eine Geschäftsführung, außerdem gibt es eine Kaufmännische Abteilung und eine eigene Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Übergreifend gibt es das Kompetenzteam Gender und Diversity. Angegliedert an die WiG ist die Selbsthilfeunterstützungstelle, die in Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ× Selbsthilfekontaktstelle heißt. Die Organisationstruktur findet sich in folgender Grafik.

Meine erste Woche in Wien steht ganz im Zeichen des öffentlichen Raumes. Denn parallel zu meiner Hospitation läuft hier das Urbanize-Festival für urbane Erkundungen. Ich nehme an mehreren öffentlichen Führungen mit den Schwerpunktthemen lokale Energiegewinnung, Verkehrsberuhigung und ³Ò°ùü²Ôflächen, sowie nachhaltige Quartiersgestaltung teil. Alles sehe ich mit der Brille des gesundheitsförderlichen Settings, womit ich mich im Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ×er Regionalverbund des Gesunde Städte-Netzwerkes schon viel beschäftigt habe. Besonders spannend ist, dass ich mit lokalen Akteuren der Wiener Zivilgesellschaft ins Gespräch komme. Verkehrsberuhigte Stadtteile ohne motorisierten Durchgangsverkehr heißen hier „Supergrätzel“, in Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ× â€žKiezblocks“.

Umweltfaktoren wie Lärm, Hitze, Luftqualität und Versorgung mit ³Ò°ùü²Ôflächen spielen auch für die aktive Mobilität (Zufußgehen und Radfahren) eine wichtige Rolle und sind Schnittstellen zwischen Verkehrsplanung und Gesundheitsplanung. Ich lerne gleich in der ersten Woche zwei Maßnahmen der WiG zum Thema kennen.

´Ü³Ü´Ú³Üß²µ±ð³ó±ð²Ô:

Die „Bewegte Apotheke“ setzt mit Wiener Apotheken ein niederschwelliges Nordic Walking-Angebot auf Grundlage eines Multiplikator:innen-Konzepts um. Das Projekt wird laufend um weitere Wiener Bezirke und Apotheken ausgebaut. Mittlerweile gibt es das Angebot in 48 Apotheken in 20 Bezirken. Einmal im Jahr gibt es eine bezirksübergreifende Einladung zu einem gemeinsamen Rundgang. Der Herbstwalk der bewegten Apotheken fand in diesem Jahr im dritten Bezirk mit Treffpunkt auf dem St. Elisabethplatz statt. Die Bezirksvorsteherin (wie die Bezirksbürgermeister:innen hier heißen) betont den Wert der neuen Fahrradstraße die hier entsteht sowie die Umgestaltung rund um den Platz. Es gibt neue ³Ò°ùü²Ô-. und Spielflächen. Außerdem sprechen die Referentin der WiG, die das Projekt koordiniert, ein Apotheker, der Geschäftsführer der WiG. Nach einer angeleiteten Aufwärmung geht es mit ca. 80 Teilnehmenden Rundgang durch den Belvederepark. Hinterher werden Hörnchen und Getränke gereicht. Mit dem Angebot werden hauptsächlich ältere Menschen erreicht. Ein gelungener Austausch!
Weitere Infos zum Herbstwalk findet man . Weitere Infos zum Projekt findet man .

Radfahren:

„Radeln & Rollern“ ist ein Angebot, das Kinder und Jugendliche zu mehr selbstständiger Mobilität befähigen und ihre Alltagsbewegung fördern soll. Ich nehme an einem und einem Bezirksworkshop teil. Die Kinder 10- bis 12-jährigen Kinder aus einer Mittelschule sind sehr motiviert. Herausforderungen sind zum Beispiel, dass viele Kinder zu Hause kein Fahrrad zur Verfügung haben und dass die Straßen und Radwege teilweise zu gefährlich für die Kinder sind. Letzteres wird in den zugehörigen Bezirksworkshops thematisiert. An einem darf ich in der 3. Hospitationswoche teilnehmen. Hier wird gemeinsam mit Politik, pädagogischen Fachkräften, Stadtteilpolizei und den Projektumsetzer:innen besprochen, wie man den Stadtteil für Kinder und Jugendliche fahrradfreundlicher machen könnte.

Der Bezirksworkshop findet übrigens im Bezirk Wien-Margareten statt der Partnerbezirk von Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ×-Lichtenberg ist. Ich telefoniere also vorab mit meine Lichtenberger Kollegin Julia Köhler und richte in Margareten Grüße aus Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ× aus. Die Städtpartnerschaft zwischen Wien-Margareten und Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ×-Lichtenberg besteht seit 2015. Im Mai 2023 wurde sie durch die Bezirksvorsteherin Silvia Jankovic (Margareten) und den Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (Lichtenberg) bekräftigt und gleichzeitig entfristet. Den Schwerpunkt bilden u.a. weitere Projekte im Rahmen von Jugendbegegnung, Demokratieverständnis, bzw. auch ein Verwaltungsaustausch zum Themen der Agenda 2030, d.h. den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung.

Das Projekt „Radeln & Rollern“ der Wiener Gesundheitsförderung fügt sich hier gut ein, weil es zur Jugendbildung beiträgt und gleichzeitig die Bedingungen für klimaneutrale Mobilität verbessern kann.

  • Organisationsstruktur der Wiener Gesundheitsförderung gGmbH

    Organisationsstruktur der Wiener Gesundheitsförderung gGmbH

  • Herbstwalk des Projekts „Bewegte Apotheke“ am 8.10.2024

    Herbstwalk des Projekts „Bewegte Apotheke“ am 8.10.2024

  • Kurzinfo zum Projekt „Radeln und Rollern“

    Kurzinfo zum Projekt „Radeln und Rollern“

  • Kinder während des Fahrradtrainings von „Radeln und Rollern“

    Kinder während des Fahrradtrainings von „Radeln und Rollern“

Woche 2 und 3

Wien ist Mitglied im Netzwerk Gesunde Städte Österreich sowie im europäischen Gesunde Städte-Netzwerk und hat sich auf dieser Grundlage bereits differenzierte Gesundheitsziele gesetzt, die mit klaren Maßnahmen hinterlegt sind. Sie fördern gemäß der Ottawa Charta die gesundheitliche Chancengleichheit in allen Lebensphasen. Die Stadt Wien sticht durch die deutlich hervor.

Besonders gefällt mir das Ziel 8: Lebensraum Stadt weiter attraktivieren, Umweltbelastungen geringhalten und Bewegung fördern.

Ich habe Glück und kann Gespräche mit allen drei zuständigen Kolleg:innen führen. Eine etwas ernüchternde Erkenntnis gibt es doch: Die Mitgliedschaft in den Netzwerken spielt für die Planungen im innerhalb der Stadt Wien eine untergeordnete Rolle. Auch bei der Umsetzung der Gesundheitsziele gibt es in Wien ähnliche Herausforderungen wie in Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ×. Man hat allerdings die Zieleprozesse dafür genutzt, ressortübergreifend in den Austausch zu kommen und eine Lobby für Gesundheit in verschiedenen Politikfeldern (Health for all policies) zu verankern.

Auch einen bezirklichen Gesundheitszieleprozess darf ich kennen lernen, von dem ich für Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ×-Lichtenberg einiges an Erfahrungen mitnehmen darf.

Während meiner Hospitation führe ich viele Einzelgespräche mit den Kolleg:innen zu ihren jeweiligen Aufgabengebieten. Fast immer gibt es Anknüpfungspunkte zu meiner Arbeit in Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ×-Lichtenberg, sodass ich wiederum einiges aus Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ× berichten kann. Die in der Wiener Gesundheitsförderung sind neben dem Thema Bewegung, Ernährung und seelische Gesundheit.

Das Wiener Netzwerk Gesundheitsfördernde Schulen im Weiner Rathaus zum Thema seelische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Ich durfte dabei sein. Vor Ort waren Lehrer:innen, Schuler:innen, viele Kooperationspartner:innen inkl. Krankenkassen, die Angebote für Schulen machen u.v.m. Eine Erkenntnis des Tages ist für mich, dass vor allem Angststörungen und Depressionen unter den Kindern und Jugendlichen seit Corona stark zugenommen haben und eine Sensibilisierung dafür einhergehend mit präventiven Angeboten an Schulen umso wichtiger ist.

Woche 4

In Woche 4 knüpfe ich dann an meinen Erfahrungen und Kontakten aus den ersten drei Wochen an. Ich besuche die Wiener Mobilitätsagentur, die den Auftrag hat zu aktiver Mobilität zu informieren und zwischen Bevölkerung und Verwaltung zu vermitteln, wozu es gehört Anfragen von Bürger:innen zu beantworten. Außerdem stellt die Mobilitätsagentur umfangreiches Material für die Verkehrserziehung in Kindergärten, Volksschulen und Mittelschulen bereit. Sie betreuen bzw. warten auch die Leihfahrräder, Übungsparcours und zugehörige Abstellanlagen.

Von der Radlobby Wien erhalte ich noch den Hinweis, das es online ein Dashboard zu gibt. Sie arbeiten ähnlich wie der ADFC in Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ×.

Fazit

Wien ist ihren Ruf entsprechend eine lebenswerte und sehr beeindruckende Stadt. Die gute und langfristige Ausstattung mit finanziellen Mitteln spielt hierbei sicher eine entscheidende Rolle. Es lassen sich viele Vergleiche zwischen Å·ÃÀÊìÅ®ÂÒÂ× und Wien ziehen, da beides Großstädte und auch Hauptstädte sind. Die Herausforderungen wie Kinderarmut, Obdachlosigkeit und Umstellung auf mehr nachhaltige Mobilität ähneln sich, was den Vergleich besonders spannend und aufschlussreich macht.